Kapitän Christopher Balkenhoff hielt überragend, doch auch er konnte die knappe 1:2-Niederlage gegen den haushohen Favoriten RWE nicht verhindern. In dieser Aktion wird der Keeper vom Ex-Essener Felix Schlüsselburg unterstützt. Fotos: Lütkehaus
Kapitän Christopher Balkenhoff hielt überragend, doch auch er konnte die knappe 1:2-Niederlage gegen den haushohen Favoriten RWE nicht verhindern. In dieser Aktion wird der Keeper vom Ex-Essener Felix Schlüsselburg unterstützt. Fotos: Lütkehaus

Essen wankt kurz, fällt aber nicht

Acht Minuten durften die Fußballer des SV Lippstadt nach dem 1:1 von Paolo Maiella auf einen Punktgewinn gegen RW Essen hoffen. Der wäre zwar sehr glücklich, aber eben nicht unmöglich gewesen. So setzte sich der Spitzenreiter nach einem Klasse-Spiel vor 800 Zuschauern am Ende knapp mit 2:1 durch.

Regionalliga West
SV Lippstadt - RW Essen 1:2 (0:1)

„Wenn man in der ersten Halbzeit nicht stattfindet, kann man nicht verlangen, das Spiel in der zweiten Halbzeit zu drehen“, brachte es SV-Trainer Felix Bechtold in der Pressekonferenz auf den Punkt. Damit ist eigentlich alles gesagt, aber wir machen trotzdem mal weiter.

Eine Viertelstunde durften sich die Schwarz-Roten gegen den haushohen Favoriten von der Hafenstraße austoben, dann übernahm RWE das Kommando. Die 800 Fans in der ausverkauften Liebelt-Arena sahen anschließend Einbahnstraßenfußball mit Chancen im Fünf-Minuten-Takt für die Gäste. Vor allem der pfeilschnelle Young war auf der linken Angriffsseite kaum zu stoppen.

Für die Lippstädter Abwehr bedeutete dies Akkordarbeit. Mit sehr viel Glück hielt die Bechtold-Elf lange die Null. Tormaschine Engelmann traf nur den Außenpfosten, zwei Essener Treffer wurden wegen Abseits’ nicht gegeben, dazu kamen eine strafstoßwürdige Aktion von Schlüsselburg und eine vergebene Riesenmöglichkeit (Marke „den hätte unsere Oma gemacht“) von Holzweiler. Als wäre das nicht schon genug, musste SV-Torhüter Balkenhoff noch zweimal seine ganze Klasse aufbieten. Mit sensationellen Reflexen rettete er gegen Dürholz und Janjic.

Letztlich benötigte der Tabellenführer einen Standard, um in Führung zu gehen. Rios Alonso köpfte nach einem Eckball unhaltbar zum 0:1 (39.) ein. Eigentlich hätte die Partie schon zu diesem Zeitpunkt entschieden sein müssen. Ein 0:3, vielleicht ein 0:4, hätte dem Spielverlauf wohl eher entsprochen. „In der ersten Halbzeit haben wir zu ängstlich agiert“, meinte Kapitän Balkenhoff hinterher.

Das änderte sich nach dem Wechsel allerdings grundlegend. Im zweiten Durchgang hielt der SV Lippstadt voll dagegen, spielte mit Herz und Mut. Jetzt gingen die Gastgeber aggressiv in die Zweikämpfe und kamen ihrerseits zu Chancen. Eine davon führte in der 67. Minute zum 1:1 – nach einem Abpraller guckte Maiella den Torwart aus und vollendete überlegt.

Riesenjubel nicht nur beim kleinen Italiener, der damit seinen vierten Saisontreffer erzielte. Die Liebelt-Arena stand Kopf, die Fans des SV Lippstadt waren komplett aus dem Häuschen.

„Respekt, was die Mannschaft in der zweiten Halbzeit geleistet hat, wie sie gefightet hat. Darauf können wir stolz sein“, gab Maiella nach dem Abpfiff zu Protokoll und fügte hinzu: „Wir haben mit viel Leidenschaft gespielt und blicken positiv nach vorn. Wir steigern uns stetig und werden immer mehr zu einem Team.“

In diesem Moment hatte man nicht den Eindruck, dass der SV Lippstadt gegen den Titelfavoriten verloren hatte. Tatsächlich wäre ein Punktgewinn auch durchaus möglich gewesen. Bemerkenswert, wie die Schwarz-Roten das 1:2 (75.) durch Plechaty wegsteckten und alles versuchten, um ein zweites Mal zurückzukommen. Fast wäre wiederum Maiella das 2:2 gelungen: In der 81. Minute wollte der quirlige Stürmer den Ball in die lange Ecke schlenzen. Der hätte auch gepasst, aber RWE-Keeper Davari fischte die Kugel gerade noch raus. Die Gastgeber kämpften weiter und holten die letzten Körner raus: Halbauer verzog nach guter Vorarbeit von Matter knapp (85.). Dann probierte es Heiserholt mit einem 18-Meter-Hammer: Davari musste nachfassen, hielt letztlich aber den knappen Sieg des Spitzenreiters fest.

Die Lippstädter müssen sich vielleicht vorwerfen lassen, dass sie den Respekt vor dem haushohen Favoriten etwas zu spät ablegten. Auf der anderen Seite überzeugten sie mit viel Moral, enormen Kampfgeist – und in der zweiten Halbzeit auch mit guten spielerischen Ansätzen. Keine Frage, der Erfolg der Gäste war insgesamt verdient. Aber so schwierig hatten sie sich die Aufgabe vermutlich nicht vorgestellt. Acht Minuten wankte der Ligaprimus ein wenig, aber er fiel nicht.