Daniel Berlinski, Quelle: DER PATRIOT
Daniel Berlinski, Quelle: DER PATRIOT

Wir haben vor keiner Mannschaft Angst

Trainer Daniel Berlinski will den SV Lippstadt in der Regionalliga halten und sieht genug Qualität in seinem Team

Mit dem Auswärtsspiel bei der U23 von Fortuna Düsseldorf startet der SV Lippstadt Samstag in das Abenteuer Regionalliga. Zum zweiten Mal in ihrer Vereinsgeschichte spielen die Schwarz-Roten in einer Klasse mit Traditionsvereinen wie RW Essen, Alemannia Aachen, RW Oberhausen oder dem Wuppertaler SV. Die Premiere vor fünf Jahren endete mit dem Abstieg. So erging es zuletzt den meisten Aufsteigern aus der Oberliga. Warum dies dem SV Lippstadt nicht passiert, erklärt Trainer Daniel Berlinski (32) im folgenden Interview. Danach lautet das erste Ziel der Lippstädter, die anderen drei Neulinge hinter sich zu lassen.

Spiele gegen RW Essen, Alemannia Aachen und Borussia Dortmund - wie groß ist bei Ihnen persönlich die Vorfreude auf die Regionalliga?

Berlinski: Riesig. Das ist ist eine Top-Liga mit vielen Traditionsvereinen, U-Mannschaften und insgesamt einer hohen Qualität. Wir freuen uns alle, in diesem Kreis dabei zu sein.

„Jetzt zeigen wir denen in der Regionalliga mal, wie man Fußball spielt", sagte Paolo Maiella im Überschwang der Meisterschaft. Ein Ausbruch der Emotionen, oder wie beurteilen Sie die Aussage Ihres Flügelflitzers?

Berlinski (lacht): Ja, ja?-?das war tatsächlich im Rausch der Emotionen direkt nach dem Titelgewinn. Vielleicht ist das eine oder andere Bier auch zu schnell bei ihm in die Blutbahn geschossen. Paolo Maiella ist ein cleverer Junge, der kann die Situation in der Regionalliga realistisch einschätzen.

Die Fans des SV Lippstadt sind begeistert. Aber viele fragen sich: Kann dieser junge Kader Regionalliga?

Berlinski: Ich bin mir sehr sicher, dass wir die Qualität haben, in dieser Liga drei Mannschaften hinter uns zu lassen. Wenn ein Verein nach 30 Spieltagen in der Oberliga oben steht und Meister wird, dann ist das kein Zufall. Durch die Neuzugänge haben wir noch mehr Qualität hinzubekommen.Ob es tatsächlich reicht, werden wir am Ende der Saison sehen.

Was glauben Sie denn, mit welchen Vereinen wird der SV Lippstadt in der unteren Regionalliga auf Augenhöhe spielen?

Berlinski: Ich werde jetzt keine Namen nennen, aber wir orientieren uns ganz klar an den Aufsteigern. Die anderen drei müssen wir hinter uns lassen. Wahrscheinlich denken die in Kaan-Marienborn, Straelen und Herkenrath genauso. Alles andere wird man sehen. Unser erster Gegner Fortuna Düsseldorf ist letzte Saison glücklich in der Liga geblieben. Die haben eine qualitativ gute, aber auch mit die jüngste Mannschaft. Abwarten, ob und wie die ihre PS auf den Platz bekommen. Allgemein finde ich eine Einschätzung schwierig.

Ihr sportlicher Leiter Dirk Brökelmann sprach in jedem Spiel vom Duell David gegen Goliath. Wobei der SV Lippstadt die Rolle des Davids einnimmt. Stimmen Sie ihm zu?

Berlinski: Das ist zweifellos so. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir teilweise im Vergleich zu anderen Mannschaften in dieser Liga nur zehn Prozent des Gehaltsetats haben. Von daher trifft es „David gegen Goliath" sehr gut, was die finanziellen Mittel betrifft.

Nichtsdestotrotz haben wir es auch in der letzten Saison mit geringen Mitteln geschafft, eine Mannschaft zu stellen, die über weite Strecken hervorragenden Fußball gespielt hat. So wollen wir es jetzt wieder machen: mit jungen Spielern arbeiten und gute Ergebnisse erzielen. Wir haben vor keiner Mannschaft in dieser Liga Angst! Vor keiner einzigen.

Man hat bereits im Pokalspiel gegen Rödinghausen gesehen (Endstand 1:3; Anm. d. Red.) , dass wir eine spielerisch gute Mannschaft haben. Okay, es für uns ist ein bisschen unglücklich gelaufen nach einer langen Saison und einer ausgiebigen Meisterfeier.

Nennen Sie bitte mal in drei, vier Schlagworten die Stärken Ihrer Mannschaft ...

Berlinski: Die Jungs sind definitiv körperlich auf einem sehr guten Niveau, die Mannschaft ist technisch sehr gut ausgebildet und hat ihre Stärken im spielerischen Bereich.

Muss der SV Lippstadt in der 4. Liga anders agieren, vielleicht defensiver?

Berlinski: In der Oberliga haben wir uns mit einem Punkt nicht zufrieden gegeben, in der Regionalliga werden wir das tun.

Kommen wir zur Vorbereitung. Es gab in acht Testspielen drei Siege, ein Unentschieden und vier Niederlagen. Wie lautet Ihr Fazit?

Berlinski: Wir haben die neuen Spieler sehr gut integriert. Das ist erstmal das Wichtigste. Natürlich gibt es in der Vorbereitung Gewinner und Verlierer. Wer das ist, wird man am Samstag in Düsseldorf in der Startaufstellung sehen. Dort wird der eine oder andere Spieler stehen, mit dem man so im Vorfeld vielleicht nicht gerechnet hat. Andersherum werden sich andere vielleicht wundern, die in der letzten Saison häufiger gespielt haben.

Die Ergebnisse aus den Testspielen möchte ich nicht überbewerten. Dagegen haben wir die Dinge, die wir kreiert haben, gut umgesetzt. Das gilt vor allem für das letzte Testspiel in Kassel. Von daher bin ich für den Saisonstart positiv gestimmt. Die Jungs haben super mitgezogen. Alles ist gut.

Sie werden wahrscheinlich nicht verraten, wer zu den Gewinnern und Verlierern der Vorbereitung gehört ...

Berlinski: Ich werde sie nicht namentlich nennen. Jeder, der am Samstag die Startaufstellung in der Hand hält, kann sehen, wer spielt. Die Jungs, die sich in der Vorbereitung in den Vordergrund trainiert und gespielt haben, werden starten. Dies kann im zweiten Spiel gegen Rödinghausen schon wieder ganz anders aussehen. Jeder Spieler muss mit dieser Situation professionell umgehen und sich dem mannschaftlichen Erfolg unterordnen. Wir brauchen über die Saison gesehen jeden Spieler!

Okay, es war Vorbereitung. Aber die Mannschaft hat unübersehbare Schwächen im Torabschluss gezeigt. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Berlinski: Natürlich habe ich mir ein paar Gedanken darüber gemacht, wie wir das abstellen können. Wir haben in dieser Woche noch einmal den Fokus darauf gelegt. Im Februar, März hatten wir auch so eine Phase, wo es ein bisschen gehakt hat. Aber wir haben ganz klar die Qualität, um unsere Chancen besser zu verwerten. Ich glaube, der eine oder andere braucht nur ein bisschen Selbstvertrauen. Dann klappt es auch.

Beim letzten Test in Kassel hat Saban Kaptan in der Spitze gespielt. Ist der Neuzugang aus Gütersloh auf dieser Position jetzt die Nummer 1 vor Benjamin Klingen, Janik Brosch oder Tobias Puhl?

Berlinski: Es ist ja das Schöne, dass unser Kader sehr variabel ist. Viele Spieler können viele Positionen besetzten. Das hat man bei Benny Klingen sehr gut gesehen, dass er gut über die Außenbahn kommt. Janik Brosch kann ebenfalls außen und im Sturm spielen. Saban Kaptan ist in der Lage auf der Sechs oder Acht zu spielen. Es ist jedenfalls gut, dass wir nicht so leicht ausrechenbar sind.

Die Abwehr scheint mit Torhüter Christopher Balkenhoff, Kapitän Fabian Lübbers, Yannick Langesberg und Nils Köhler im Wesentlichen zu stehen. Marcel Hoffmeier hat zuletzt rechts in der Viererkette gespielt. Wird das auch am Samstag bei Fortuna Düsseldorf so sein - und was zeichnet den Youngster aus?

Berlinski: Das gilt für beide Hoffmeiers. Sie haben sehr, sehr gutes Spielverständnis und bringen eine gute Physis mit. Beide haben einen überragenden ersten Kontakt, der es dem Gegner sehr schwer macht, an den Ball zu kommen. Beide verfügen über eine sehr gute Ballkontrolle. Im Ballbesitzfußball ist die Ballkontrolle eben sehr wichtig.

Welche Rolle spielt der bis jetzt letzte Neuzugang Exauce Andzouana in Ihren Planungen? Der war immerhin U20-Nationalspieler im Kongo.

Berlinski: Exauce Andzouana ist während der Vorbereitung zu uns gestoßen und kam letzte Saison aus einer Kreuzbandverletzung. Da er nicht die komplette Vorbereitung bei uns war, hat er im körperlichen sowie taktischen Bereich den anderen Spielern gegenüber natürlich einen Rückstand. Wir werden sehen, wann er soweit ist.

Wann sind Valentin Henneke, Kevin Holz, Gerrit Kaiser und Jannik Erlmann wieder voll einsatzfähig?

Berlinski: Kevin Holz hat noch Probleme mit seinem Sprunggelenk. Er konnte zwar alle Trainingseinheiten absolvieren, aber es läuft noch nicht ganz rund. Bei Valentin Henneke funktionierte es gut in der Vorbereitung, was die Belastung seines Rückens betrifft. Jannik Erlmann befindet sich im lockeren Aufbautraining, er hat auch schon ein Lauftraining gemacht. Gerrit Kaiser ist in der nächsten Zeit erst einmal raus.

Das Transferfenster schließt am 31. August. Wird sich der SV Lippstadt noch verstärken? Haben Sie spezielle Wünsche für spezielle Positionen?

Berlinski: Wünsche hat man als Trainer immer. Man muss aber auch sehen, was möglich ist. Wir haben jetzt 22 Spieler im Kader. Wir wollen das nicht zu sehr aufpumpen. Ich denke, dass 22 oder 23 Mann eine gute Kadergröße ist. Stand jetzt ist die Kaderplanung abgeschlossen. Man wird sehen, ob nach zwei, drei Spieltagen noch etwas passiert oder nicht. Der Etat ist aufgebraucht. Insofern werden wohl keine Transfers mehr folgen.

Welche Bedeutung haben die Fans des SV Lippstadt für die Mannschaft und vor allem auch das leidige Trommelverbot in der Liebelt-Arena?

Berlinski: Unsere Fans spielen eine sehr, sehr große Rolle. Die sind ganz wichtig für die Spieler. Gerade wenn es mal nicht so gut läuft, können die Fans mit ihren Anfeuerungen noch mal ein paar Prozentpunkte aus der Mannschaft herauskitzeln. Ich hoffe sehr, dass wir es irgendwie umgesetzt bekommen, dass die Fans ab dem ersten Heimspiel gegen Rödinghausen wieder voll aufdrehen dürfen.

Haben Sie irgendwelche Befürchtungen, dass Ihre Mannschaft vier-, fünfmal hintereinander verlieren und die Stimmung kippen könnte?

Berlinski: Der Verein und die Mannschaft sind in der letzten Saison richtig fest zusammengewachsen. Klar kann es auch mal schlecht laufen. Dann ist es Aufgabe der Verantwortlichen, der Trainer, des sportlichen Leiters und des Präsidiums, im Verein Ruhe zu bewahren. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass dies auch in der Mannschaft so bleibt. Ich denke, wir sind in der Lage, auch eine eventuelle Negativserie zu kompensieren. Wenn man Realist ist, dann muss man solche Dinge mit einplanen.

Genug schwarzgemalt. Das letzte Saisonspiel findet am 18. Mai 2019 beim SC Wiedenbrück statt. Was machen Sie, wenn der SV Lippstadt spätestens bis dahin den Klassenerhalt geschafft hat?

Berlinski (lacht): Dann werden wir die Mannschaft wieder gut einstellen und nach Wiedenbrück fahren, um dort den nächsten Dreier zu holen. Danach werden wir definitiv richtig die Korken knallen lassen. Der Klassenerhalt in der Regionalliga wäre für mich eine noch größere Sensation als die Oberliga-Meisterschaft.

Quelle: DER PATRIOT, 25.07.2018